BVB Fundament

zurück zur Hauptseite
in Thread öffnen

'Dortmund muss sich ja totlachen'

Olli @, Dortmund, Montag, 07. Februar 2011, 14:48 @ Olli

Rettung durch den Artisten
Schalke-Torwart Manuel Neuer hilft Felix Magath in Dortmund mit seinen Paraden - er bringt den Trainer aber auch in ein Dilemma

Dortmund - Viele berühmte Geschichten erzählen von Gut und Böse, von Schuften und Helden: Mephisto und Faust, Joker und Batman, Räuber und Gendarm, Felix Magath und Manuel Neuer. Das Publikum verteilt Zuneigung und Ablehnung gern paritätisch, aber in den vergangenen Wochen hat es beim mediokren FCSchalke 04 mit dem heftig kritisierten Trainermanager Magath eigentlich bloß einen Buhmann gegeben und keinen echten Heroen mehr. Aus dem Revierderby in Dortmund ist nun Manuel Neuer einmal mehr als ein Held erwachsen, der in der akuten Schalker Vertrauenskrise die beim Trainer frei gewordenen Sympathien der Fans absorbiert. Der junge Torwart hat beim torlosen Remis derart bravourös die Bälle pariert, dass sogar der Dortmunder Innenverteidiger Mats Hummels ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten im komplexen Verhältnis der beiden Klubs mitteilte: 'Leider haben wir gegen den weltbesten Torwart gespielt.'

Am Mittwoch gegen Italien

Am Freitagabend hatte Hummels das noch geärgert, aber schon an diesem Mittwoch könnte ihm Neuers phänomenale Form zugute kommen: wenn die beiden im Länderspiel gegen Italien gemeinsam Gegentore verhindern. Neuer, 24, wird dann schon wieder im Dortmunder Stadion das Tor hüten, denn Bundestrainer Joachim Löw hat ihm diesen Einsatz bereits zugesagt, es wird sein 16. Länderspiel. Neuer ist zurzeit der einzige Schalker in Löws Kader, dagegen stehen fünf Dortmunder Feldspieler. Aber dieses ungleiche Verhältnis zwischen den rivalisierenden Revierklubs macht den Schalker Torwart nicht nervös. 'Die Situation ist halt jetzt so', sagt er, 'vor ein paar Jahren waren es mehr Schalker, da waren überhaupt keine Dortmunder dabei.'

Fünf Dortmunder Nationalspieler hatten es im Derby trotz eines phasenweise berauschenden Offensivspiels nicht geschafft, den Schalker Nationaltorwart zu überwinden. Ein halbes Dutzend Mal rettete Neuer seine fragile Abwehr artistisch aus der Bredouille, je ein Mal sah er Lucas Barrios und Mario Götze an den Pfosten schießen. 'Wir hatten es eigentlich nicht verdient, hier einen Punkt zu holen, das ist ganz klar', sagte Neuer, aber wichtig fand er den Schalker Teilerfolg gerade deswegen; 'Es ist bei uns im Moment nicht einfach', gestand er, 'deshalb war dieses Null-zu-null für uns ein wichtiges Erfolgserlebnis.'

Neuers Trainer Felix Magath ist in diesen Tagen vor allem mit Trotzreaktionen beschäftigt. Er muss sich von Fans und Medien allerhand Vorwürfe anhören, weil er in eineinhalb Jahren mehr als 30Spieler verpflichtet hat ('E waren 34, nicht 61 und auch nicht 40, sondern 34!') und mit seiner jüngsten Akquisition der Veteranen Ali Karimi, 32, und Angelos Charisteas (Magath: 'Ich hoffe, dass ich sie nie einsetzen muss, denn sie sind nur eine Art Versicherung') beim hochverschuldeten FC Schalke 04 den Eindruck wirrer Kaufwut erweckt hat. Konzeptlosigkeit bestreitet Magath allerdings heftig ('Wir sind im Plan') und betont, er wolle weiterhin bis 2013 mit Schalke Meister werden. Deutscher Meister.

Solch eine Vision klingt zwar aufregend, kurzfristig aber droht Schalke04 davor noch größerer Frust, wenn die Mannschaft früher oder später aus der Champions League und am 2. März im Halbfinale beim FC Bayern auch aus dem DFB-Pokal ausscheiden sollte. Dann wäre der Klub - in der Bundesliga nur noch vier Punkte von der Abstiegs- zone entfernt - in der nächsten Saison in keinem europäischen Wettbewerb vertreten, was ihn lebenswichtige Mittelzuflüsse ebenso kosten würde wie die Zuneigung seiner ambitionierten Profis Raúl, Huntelaar und Neuer.

Geht der Sympathieträger?

Schon muss Magath wieder erklären, dass er seinen überragenden Torwart - die wichtigste Identifikationsfigur für die Anhänger - angesichts eines bis Juli 2012 gültigen Vertrags nicht abzugeben bereit sei. Allerdings könnte Neuers vorzeitiger Verkauf schon im Sommer demnächst wegbrechende Einnahmen aus der Champions League kompensieren. Auf bis zu 20 Millionen Euro wird Neuers Marktwert geschätzt, und nicht erst nach dessen jüngster Leistung interessieren sich neben dem FC Bayern auch internationale Klubs für ihn; beispielsweise Manchester United, das einen Nachfolger für Edwin van der Sar sucht.

Ein Weggang Neuers freilich, des Gelsenkirchener Jungen, der seine Kindheit als Fan auf der Tribüne verbrachte, würde Magaths schwierige Position auf Schalke weiter schwächen. Dem von den Fans zunehmend zum Bösewicht stilisierten Trainer ginge mit Manuel Neuer der ausbalancierende Sympathieträger ver-loren. Für Felix Magath bahnt sich ein großes Dilemma an. Ulrich Hartmann

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.30, Montag, den 07. Februar 2011 , Seite 23

  366 Views

gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

47283 Einträge in 10162 Threads, 149 angemeldete Benutzer, 8 Benutzer online (0 angemeldete, 8 Gäste)
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt
powered by my little forum