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'Dortmund muss sich ja totlachen'

Olli @, Dortmund, Montag, 07. Februar 2011, 14:48

'Dortmund muss sich ja totlachen'
Beim FC Bayern wächst nach dem kaum erklärbaren 2:3 in Köln die Sorge, das Mindestziel zu verfehlen

Köln - Christian Eichner gilt als redegewandter Fußball-Deuter, und so war es bedenklich für den FC Bayern, dass sogar Kölns linker Verteidiger das närrische Treiben der zweiten Halbzeit unerklärlich fand. 'Ich kapier"s noch nicht', sagte Eichner nach dem Abpfiff ergriffen, 'es ist normal nicht die Mentalität der Bayern, nach "nem 2:0 noch zu verlieren.' Das Undenkbare war in der Bundesliga erstmals seit 1997 eingetreten (2:4 in Leverkusen). Allerdings war das neuzeitliche 2:3 (2:0) beim 1.FCKöln nicht das erste Spiel in dieser Saison, bei dem der Rekordmeister nach souveränem Beginn plötzlich vom Kurs abgekommen war.

So lief es 'schon in Gladbach, Schalke, Leverkusen, Wolfsburg und was weiß ich wo', zählte Karl-Heinz Rummenigge zornig aus der Hand gegebene Auswärtspartien auf. Konsterniert stand der Vorstandschef mit Präsident Uli Hoeneß im Kabinengang, Trainer Louis van Gaal ('ich bin böse, enttäuscht und erstaunt') versuchte den Schock minutenlang einsam auf der Bank zu verarbeiten, um ihn herum schepperte rheinische Schunkelmusik. 'Kölle Alaaf' sang das Stadion, bei Bayern schrillte der Alarm.

Fünfter sind sie nun, dabei waren Platz zwei und der dritte Sieg in Serie so nah. Doch dann entfalteten drei Gegen-tore binnen 18 Minuten selbstzerstörerische Kräfte. 'Wir haben fahrlässig eine große Chance verpasst', sagte Rummenigge, die Patzer der Konkurrenz verstärkten sogar die Wut. Nicht mal die Minimalanforderung Rang drei ist nach 21 Spielen erfüllt - gemäß Hoeneß" jüngsten Wortmeldungen nähert sich somit jene Situation, die ein Einschreiten der Bosse erfordern könnte. Bei den Bayern wächst die Sorge, sie könnten das Münchner Finale der Champions League 2012 bereits im Mai 2011 verpassen. Ebenso verbittert wie die Tabelle betrachten sie die zunehmenden Kratzer am Mythos ihrer Unverwundbarkeit. Sogar Kölns Trainer Frank Schaefer erzählte, er habe seine geknickte Elf beim Pausenappell 'daran erinnert, dass es Phasen im Spiel gibt, wo die Bayern schwächeln, wo sie ihre Dominanz nicht mehr umsetzen können'.

Das war Salz in van Gaals Wunden, obwohl Schaefer die gute erste Halbzeit der Münchner honigsüß beschrieb ('toller Fußball, tolle Raumaufteilung und Organisation'). Ab der 46. Minute jedoch beginnt seit Monaten in vielen Partien eine gespenstische Phase, jene rätselhaften Einbrüche haben sich bis zu Kellerbewohnern der Liga herumgesprochen, die früher gegen Bayern unterwürfig antraten. 'Es ist bekannt, und das ist schlecht', sagte van Gaal zu den sehr aufschlussreichen Worten seines Kollegen.

Nach 45 Minuten ist Schluss

Van Gaal selbst zitierte seinen Stehsatz: 'Unglaublich, dass wir wieder ein Spiel so weggeben!' Die Preisfrage ist: warum nur? Rummenigge trat mit einem eisigen Blick aus der Kabine, er lenkte den Fokus auf die Spieler ('Nach der Pause fehlte komplett die Einstellung, man sollte ihnen mal sagen, dass nach 90 Minuten Schluss ist, nicht nach 45') - und wohl ganz bewusst weg vom Trainer, der zuletzt als unbequemer Alleinentscheider bei den familiären Bayern in der Kritik stand. Akut bedroht ist van Gaals Job wohl noch nicht, doch er weiß: Weitere solcher Pannen sollten ausbleiben.

Thomas Müller sprach in Köln schuldbewusst von 'Dummheit', man laufe Gefahr, 'sich die ganze Saison kaputt zu machen'. Wertlos wie Spielzeuggeld waren am Ende der starke Beginn, das 1:0 (22.) durch Gomez und das 2:0 (43.) von Altintop. Abstiegsbedrohte, spielerisch minderbemittelte Kölner schafften dank kämpferischer Hingabe die Wende. 'Keine Konzentration über 90 Minuten', analysierte van Gaal. Aber natürlich gab es mehr Gründe. Eher keine waren diesmal das Fehlen des kranken Robben und die erst späte Einwechslung von Rückkehrer Ribéry. Auch ohne ihre vermeintlichen Erlöser erzielten die Bayern zwei Tore, in der Aufwachphase kurz vor Schluss hatten sie noch dicke Chancen zum 3:3.

Ihr Hauptübel ist die störanfällige Defensive, die mit Fehlverhalten vorne beginnt. Leichte Gegentore entspringen aus Kontern, Standards oder weiten Bällen, wegen individueller und gemeinschaftlicher Versäumnisse einer fragilen, zurzeit auf mehreren Positionen fragwürdig besetzten Elf. Beim 1:2 und 3:2 genügte Köln jeweils 'ein einfacher Pass in die Tiefe, um allein aufs Tor zu laufen', kritisierte Kapitän Lahm - das mag man von Werder Bremen kennen, einer Spitzenelf ist es unwürdig. Schon ein Hauch von Gegenwind kann derzeit das Gerüst der Bayern erschüttern, bis zum Totalschaden.

Es fehlt eine intakte Achse auf der Mittelspur. Die doppelte Sechs Ottl/Pranjic, nach van Bommels Abschied van Gaals Notplan, ist keine Dauerlösung. Gegen Köln schwammen auch die Innenverteidiger, vor dem 1:2 wichen beide, Badstuber und Timoschtschuk, weit hinaus auf den Flügel statt das Zentrum abzudichten, Torschütze Clemens sprintete in ein Riesenloch, auch Torwart Kraft hatte schon bessere Szenen. Beim 2:2 köpfelte Novakovic aus kurzer Distanz ein. Beim 2:3 ging nach einem 65-Meter-Ball des Kölner Torwarts ein Luftduell im Mittelfeld verloren, so erhielt Novakovic freie Bahn, Badstuber kam zu spät. Schon dessen Notbremse an Novakovic (19.) war eine rubinrote Karte gewesen, keine gelbe.

Van Gaals Selbstkritik

'Ich hatte den Gedanken, Badstuber auszuwechseln', gab van Gaal später zu. Auch mit seiner Halbzeitansprache war er unzufrieden, 'mein Ton war vielleicht zu souverän', mutmaßte er. Erwähnenswert war zudem seine Floskel: 'Wir verlieren gemeinsam.' Zuletzt hieß es ja, van Gaal hefte Siege gerne sich selbst an und Niederlagen eher den Spielern.

Mit der Gesamtsituation sind die Bayern kolossal unzufrieden. 'Wie ein roter Faden' zögen sich die Rückschläge durch die Saison, sagte Lahm. 'Dortmund muss sich ja langsam totlachen', schimpfte der Westfale Rummenigge. Er selbst wirkte todernst.Moritz Kielbassa

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.30, Montag, den 07. Februar 2011 , Seite 23

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